Walter Heckmann und seine Bilder vom Fliegen
   
Heckmann ist ein Himmelsmaler. Über seine Landschaften und Stadtlandschaften türmt er Wolken, baut er seine verschiedenen Blaus auf. Selbst manches Stilleben bedarf des Himmels, den ihm der Maler gewährt, Heckmanns Himmel sind nicht aus dem Jenseits geholt, sie gehören zu unserer Welt. Sie sind aus dem Stoff, den wir zum Atmen brauchen. Und zum Fliegen. Das Flügelpferd der Fantasie war früher im himmlischen Luftmeer heimisch. Heckmann, ein fantastischer und poetischer Realist, zeigt uns was heute im Himmel zu sehen ist. In vielen seiner Bilder gibt es Schmetterlinge, die bunten Gaukler des Himmels. Fliegende Fische, Federn, Vögel sind andere Beispiele, die uns beweisen, daß es ein Leben im Himmel gibt. Den Traum vom fliegenden Menschen verkörpern in einzelnen Heckmann-Bildern Drachenflieger, doch dabei müssen wir an Ikarus denken, daran, daß Abflug nicht immer Ankunft nach sich zieht. Sicherer sind schon die Zeichen, die Heckmann hoch in seine Himmel setzt: Kondensstreifen, Flugzeuge.
Wer anders also als Heckmann hätte Bilder vom Fliegen, vom sicheren Abflug und von der Ankunft malen können? Dank seiner Fertigkeiten und Fähigkeiten brauchte er keine Angst vorm Fliegen als künstlerischem Thema zu haben. Es bestand keine Gefahr, daß er in der Illustration landen könnte. Heckmann steuert einen sicheren Kurs in der Kunst. Nur von denen, die nichts oder nichts mehr zu sagen haben oder sich nicht wagen etwas zu sagen, als Abweichung erkannt. Als Abweichung von der üblichen Kunst der Inhaltslosigkeit oder der verbindlichen Unverbindlichkeit, die mit vielen Farben und Formen nur Leere schafft. Heckmann schafft es, mit seiner Kunst uns eine Welt zu zeigen. Und den Himmel darüber.

Früher kam aus dem Himmel, ein altes Kinderlied behauptet es jedenfalls, ein
Vogel geflogen, hatte ein Brieflein im Schnabel. Kinder, Verliebte, Spione und andere Poeten brauchten diese Luftpost. Diese Vorstellung in ein Bild zu fassen, wäre heute unzeitgemäß. Das meint: weltflüchtig und wirklichkeitsfremd, wofür es das Wort kitschig gibt. Dass die Realität unserer Welt der Poesie nicht zu entraten braucht, sehen wir in Heckmanns Luftpost-Bild. Da kommt ein großer Motorvogel, hat nicht nur ein Brieflein. Wie aus einem Füllhorn ergießt sich eine Fülle von Nachrichten und Informationen auf uns herab. Wer wollte bezweifeln, das auch Liebesbriefe dabei sind? Wir sehen die Rosen.

Rosen sind typische Heckmann-Blumen. In der Pracht ihrer Blüten ahnen wir das Vergehen. Und wir wissen, dass Rosen Dornen haben. Trotz dieses Wissens reißen wir uns mit diesen Blumen blutige Wunden. Schönheit und Gefahr in eins gegeben. Heckmanns Rosen: es sind keine Rosen, es sind Abbilder und Zeichen. Sollen sie uns Betrachtern Wunden ins Bewusstsein reißen? Sollen sie uns zeigen, dass wir uns in unserer Selbstgefälligkeit nicht mit der oberflächlichen Gefälligkeit begnügen dürfen? In der Schönheit eines Bildes, das uns gefällt, liegt vielleicht ein Stachel versteckt. So zwingt uns Heckmann zu genauem Sehen. Wir sehen den Schmet¬terling im Vordergrund, dahinter das Flugzeug in seiner Leichtigkeit, am Boden schon ein Teil des luftigen Himmels. Ist der Schmetterling, der sich auf den Rosen niedergelassen hat, die zarte und bunte Hoffnung, dass Natur und Technik sich aussöhnen lassen miteinander? Im Heckmann Bild wäre die Maschine nicht fähig, Schmetterling und Rosen zu überrollen. Mahnung und Vertrauen auf die Vernunft, dass nicht aus jedem Feld ein Roll- und Flugfeld werde, dass sich Flug nicht in Fluch verwandele?

Lassen wir Vernunft walten, so können wir getrost die Gangway besteigen, uns erheben lassen. Dann sind wir sicher, in Sicherheit abzuheben. Um anzukommen, um wiederzukehren. Das Schöne am Fliegen ist, dass wir wieder auf den Boden zurückkommen. Wir fliegen um zu landen.
Wir leben um zu leben. Das können wir in Heckmanns Bildern sehen und erkennen. Der Maler, 1929 in Freiburg geboren, lebt und arbeitet in Frankfurt am Main. Hier, im Mittelpunkt vielfältigen Geschehens, entstehen seine Bilder, die die Spannungen unserer Zeit widerspiegeln, die Gegensätze unserer Welt aufzeigen. Und das Verbindende, das Umspannende, das Versöhnende dokumentieren, wofür der Flughafen Frankfurt Main ein lebendiges Beispiel ist.

Walter Heckmann, durch viele Einzelausstellungen (BRD, Schweiz, Canada, Öster¬reich, Holland, Frankreich, Schweden, Australien, Belgien, Ungarn, USA), Editionen, Veröffentlichungen (erwähnt seien die Brönner Kalender) als erfolgreicher Künstler ausgewiesen, hat für diese Grafiken der FAG die Herstellung über den Siebdruck gewählt. Die Serigraphie ist eine grafische Technik, die den besonderen Charakter der Heckmann-Bilder bewahrt. So kann nun, wer keine Angst vorm Fliegen hat, sich auf das Wagnis der Bildbetrachtung einlassen.

Eberhard Urban

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