Besprechungen
Werner Helmes
im „Kulturspiegel“ des Südwestfunks am 29.01.1980
 

Die Bilder von Walter Heckmann sind im doppeldeutigen Sinn „Kunstlandschaften“ mit den überscharfen Konturen, mit der Detailgenauigkeit und den „un-natürlichen“ Valeurs von Traumbildern – beileibe keine Landschaftsschilderung mit dem Aha! – Erlebnis des Wiedererkennens: Der Rhein! Die Eifel! meine geliebte Toscana. Manche der Heckmanschen Kompositionen erinnern an „Idylle“, an Baumrindenbilder, wie sie über den Sofas und Vertikos der Urgroßväter hingen und wieder auf den Flohmärkten angeboten werden... aber die vorgebliche Idylle entpuppt sich als „Bild im Bild“ als ein in die Zone der guten Stube hineinquellender Müllplatz, den nur zwei Stacheldrähte davon abhalten „aus dem Bild“ zu fallen... Titel: “Die Zukunft hat begonnen.“

Es scheint überhaupt so, als habe der Maler Heckmann ein profundes Misstrauen gegenüber dem was wir Realität oder auch Wirklichkeit nennen: Vieles bei ihm wird von Schnüren „im Bild „ gehalten, wird verknotet und vor dem Auseinanderfallen bewahrt, Wirklichkeit die morsch geworden ist, die in Fetzen geht und wenn die „Idylle“ – dann erscheint sie angekratzt und lädiert. Interpretationen vor Heckmanns Landschaften bedürfen der Phantasie-Mitarbeit des Betrachtenden und man sollte sich dabei hüten, vorschnell in den Kasten der Ismus-Etikettierung zu greifen, Heckmann einzuordnen unter einem „manieristischen Symbolismus“ oder „phantastischen Realismus“. Es gelingt Ihm immer wieder, Disparates neu zu ordnen und in seinen besten Bildern auch zur Deckung zu bringen. Es entstehen so Bilder mit einer eigenen bitter-poetischen Qualität im Sinn von Collage, nur dass sie nicht geklebt, sondern virtuos gemalt ist. Heckmann formuliert es so: „ Menschen und Dinge in diesen Räumen haben lediglich Hinweischarakter auf Weite, Tiefe, fordern auf zum Begehen dieser Räume...“

Hineingehen mit den Siebenmeilenstiefeln der Phantasie. Was man entdeckt, sind Spuren, Partikel der Wirklichkeit, unserer Gegenwart: der Mensch lässt seinen Dreck fallen, in der Wüste, am Strand, auf dem Mond: vor Heckmanns Bildern wird man zum Pfadfinder auf den Spuren der bis auf ihren Müll verschwundenen Zivilisation. Atemberaubendes Spazieren gehen im UTOPIA des 3.Jahrtausends, Relikte der Technik: Masten, Schienen, geborstene Kamine – nickt ohne die uralte Hoffnung anzudeuten, dass Gäa, die alte Erde mit ihrer Vegetation, mit prallen Früchten und Blumenflor Beton und Stahlblech überwinden wird – wenn auch rostende Blechdosen aus der Perspektive des Malers wie Säulentrommeln antiker Tempel erscheinen.

Es sind „Landschaften mit Schmutzrand“ die Heckmann dem Betrachter vorhält, durchlöchert, als abziehbare Folie vor das Unzerstörbare – vor das Paradies gelegt, das immer wieder wie eine Verheißung als Schimmer sichtbar bleibt, Heckmann kommt mit dieser Methode der Realität näher als so mancher „Realist“, der meint, mit dem Abbilden der Oberfläche Wirklichkeit zu zeigen. Es ist eine vertrackte Methode und nicht immer auf den ersten Blick einleuchtend, Bilder mit Überraschungseffekt, mit sinnlichen Attacken aufs Auge, aber wenn es gelingt, die Bildsequenzen in einen Denkprozess umzuwandeln, wie es ja umgekehrt im Maler vorging, bringen sie intellektuelles Vergnügen und Einsichten in unsere, oft nur von den Schnüren der Improvisation zusammengehaltenen Welt.

Werner Helmes