Unser Vater der Ästhetik, Aristoteles, sagte von der Kunst, daß
ihre Aufgabe die Nachahmung sei. Dabei dachte er nicht an eine bloße
Nachäffung der Natur, sondern an eine Vervollkommnung dessen, was
wir in ihr sehen, tasten, hören und erleben. Unsere heutige Welt
mit ihren Städten, Fabriken, Wohnsilos, Autobahnen und Atomkraftwerken
hat diese Vervollkommnung, die die Schönheit ausmacht, bitter nötig.
Wir reden von der Natur wie von einer fernen Geliebten. Die Welt, in
der wir leben, schmerzt uns. Wir spüren, wie sich der Verfall in
sie einnistet, wie Tod sie umlauert. Die Vögel verirren sich im
Dunstgrau des Himmels, das Wild nimmt keine Fährte mehr auf, die
Pflanzen erschauern vor dem Pesthauch der Industrie, die uns den Luxus
als Henkersmahlzeit vorsetzt. Wir lachen über Pan, wenn er tollpatschig
durch die sterbenden Parks stürmt, um die Einsamkeit seiner Lust
mit einer Nymphe zu teilen. Wir machen die Idylle zum Schimpfwort und
betäuben uns mit der Droge Fortschritt und dem Geklingel der Ladenkassen.
Wir sind tatenlose Zuschauer des Dramas, das sich vor unseren Augen
abspielt, dieses Spektakels, das jede Beunruhigung nur als Posse erlaubt.
Wir haben den Handlungsfaden längst verloren.
Die Bilder Walter Heckmanns gehen von diesen Erschütterungen aus,
die wir mit viel Aufwand zu übertünchen und kaschieren trachten.
Er zeigt eine aufbegehrende, wuchernde Natur, den Aufstand der Pflanzen
gegen die Ausdorrung, die sanfte Gewalt der Blüte gegen den Ansturm
des Abfalls, der unserem Genuß eine posthume Scheußlichkeit
verleiht, den Kampf des Himmelsblaus gegen den Nebel der Maschinen,
die namenlose Einsamkeit menschenverlorener Gegenden, in der nur noch
Narben an Geschichte und Menschen erinnern. Es ist das Theater des Verfalls,
der die Welt wieder für das Leben freizumachen sucht. Schönheit
deutet sich an, verletzlich wie eine aufspringende Blüte, zwischen
Ruinen, Verkarstung und Müll, die schmerzliche Ahnung einer Schönheit,
die nicht mehr ist und wieder sein kann. Walter Heckmann ist kein Melancholiker
der Resignation. Seine Arbeiten offenbaren eine zuversichtliche Sinnlichkeit.
Für ihn ist Kunst ein Akt der Hoffnung, die sehend macht durch
all den Staub hindurch, den der Verfall uns in die Augen weht.
Herbert Heckmann
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Die Bilder Walter Heckmanns hier in der schulüblichen
Weise deuten zu wollen, würde den Betrachtern die Lust des Sehens
und den Genuß des Erkennens rauben. Ein solcher Versuch könnte
mit vielen Worten nur weniger sagen als der Text Herbert Heckmanns (der
Literat ist mit dem Maler nicht verwandt; die Beziehung ist stärker:
die beiden Heckmanns sind befreundet).
Die Bilder Walter Heckmanns sind in diesem Kalender unter dem Titel
<excursions> versammelt. Exkursionen: Ausflüge in die Natur,
kleine Entdeckungen verheißend. Heute für alle den großen
Schrecken offenbarend. Doch auch Dank der Kraft der Natur Hoffnung spendend.
Nur sollten wir nicht nur die Natur bedauern und auf ihre Kraft vertrauen.
Heckmanns Bilder sind auch Aufruf: für den Widerstand, für
eine Änderung. „Der Betrachter meiner Bilder soll reagieren,
soll verändern. Er muß nur bereit dazu sein.“
Dieses Engagement, diese Tendenz rechtfertigen in anderer Weise den
Titel <excursions>. Ein Exkurs ist eine Abschweifung. Heckmann
schweift ab mit seiner Art der Malerei - von der allgemein üblichen
Kunst der Inhaltslosigkeit und der verbindlichen Unverbindlichkeit,
die in der Leere der Aussage alle die verbindet, die nichts oder nichts
mehr zu sagen haben - oder sich nicht wagen. „Ich bin Maler, nicht
Künstler.“
Walter Heckmann ist ein Künstler, der sein Handwerk perfekt beherrscht.
Das zeigt sich in den Effekten des Trompe-l’oeil, dieser Augentäuschung,
die das Bild für die Wirklichkeit ausgibt, dieser Irreführung
des Betrachters. Bei Heckmann sind diese Effekte (Risse, Knitterungen,
Klebestellen, Ein- und Ausschußlöcher) Mittel der Verfremdung,
das Erkennen fördernd. Seine Kunst kommt vom Künden - sein
Können ist genauso offensichtlich.
Seit Jahren zeigt sich der Erfolg des heute 55jährigen in Frankfurt
am Main lebenden Malers vor allem in der Zustimmung einer Öffentlichkeit,
die in Walter Heckmanns Bildern die Ängste und Hoffnungen wiederfindet,
die die Herzen und Hirne bewegen.
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