Besprechungen
Walter Heckmann

Ingrid Krupp über Walter Heckmann, HR2, 1983

 

Eine magische Anziehungskraft üben seine Bilder aus, fast vergleichbar mit der Attraktivität von Geld. Beides hängt mit den künstlerischen Zielen des Malers Walter Heckmann zusammen. Als Wirkungsstätte hat er sich bewußt die Bankenstadt Frankfurt ausgesucht. Ihre Hochhäuser und Straßenschluchten bieten ihm die Schärfe des Lichts, das enge Miteinander von Licht und Schatten, welches seine Bilder benötigen. Mitten in der City, umgeben von ihrem pulsierenden Leben fühlt sich Heckmann am ehesten zu seinen stillen, bedeutungsvollen Visionen inspiriert.
Er bedient sich der Altmeisterlichen trompe l’ oeil Technik, die schon seit der Antike Künstler und Publikum begeistert. Die perfekte Täuschung des Auges der trompe l’ oeil Effekt, zieht den Betrachter unwillkürlich an. Zwischen unzähligen, feinen Firnisschichten sind die scheinbar dreidimensionalen Bildgegenstände eingebunden. Neben der illusionistischen Malweise bedient sich Heckmann einer eigenen Farbskala mit vorherrschend ins grünliche spielenden Nuancen. Die kühlen Töne mit einem Stich ins giftige schaffen Distanz - einen Abstand zwischen Betrachter und Bild. Der Künstler hat damit die perfekte Illusion auf ein Erscheinungsbild reduziert, von dem sich der Betrachter jederzeit lösen kann.

Reglos verharren die Pflanzen in den weiten, von einem übermächtigen Himmel beherrschten Landschaften, dessen Wolkenbänder kein Windhauch vorantreibt. Selbst auffliegende Vögel scheinen eine Sekunde lang anzuhalten. Der Fisch bewegt keine Flosse, bewacht den Schatz auf dem Meeresboden völlig lautlos. Menschen spielen in diesen Arbeiten eine untergeordnete Rolle. Heckmann läßt deren Existenz häufiger durch Attribute erfahren: Strandgut, Werkzeug oder Schrottautos, Vergessenes oder Zufälliges bestimmen die Stillleben, in denen Cola - Büchsen, Muscheln oder Kürbisse zum Bildinhalt werden. Dahinter steckt, wie bei allem was Walter Heckmann macht, ein tieferer Sinn.
Seine Bilder sind nicht nur „schön“ gemalte Nebensächlichkeiten, wollen keinem ansonsten häßlichen Gegenstand oder Platz eine malerische Komponente abgewinnen. Er baut bewußt Räume auf, die sich durch ihre „eigene“ Farbigkeit von der realen Umgebung unterscheiden.

Die visionären Bildwelten heben sich von der schnöden Alltäglichkeit ab, ohne den Bezug zur Realität zu verlieren. Unser Wohlstandsmüll und die bedrohte Natur sind eine Symbiose eingegangen. Der Maler behandelt beide gleich schön, mit jedoch unterschiedliche Perspektiven, um die Akzente entsprechend setzen zu können.
Humor und Ironie verpacken fast zärtlich die bitteren Wahrheiten unterer Welt, servieren versteckt und scheibchenweise Kritik an uns und unserem gegenwärtigen Verhalten. Diese sympathische Art macht es eigentlich leicht dem freundlich mahnenden, künstlerischen Wegweiser zu folgen.
Ein Brot und ein 100 Markschein verlieren auf einer von Walter Heckmann gemalten Pendelwaage ihr natürliches Gewicht. Als Justitia fungierend korrigiert er die Gesetze der Schwerkraft dahingehend, daß er statt des tatsächlichen Papiergewichts die Wertschätzung des Geldes in die Wagschale wirft. Aus diesem Blickwinkel bringt der leichtere Geldschein natürlich mehr Gewicht auf die Waage als ein Leib Brot. Wie anders hätte das Pendel aus der Sicht der sogenannten 3. Welt ausgeschlagen!
Aus seinem Chronisten-Pinsel erwächst der Alten Frankfurter Oper ein Stapel unzähliger Geldbündel als ihr wahres Fundament.
Es sind diese Hintergründe, die schöne realistische Scheinwelten in vielfache Ebenen aufklappen lassen, dieselben imaginären Gedankenbilder, wie sie zwischen den Zeilen eines Buches entstehen. Je nachdem auf was sich das Auge konzentriert sieht es entweder die eine oder die andere Wahrheit.

Ingrid Krupp