Besprechungen
Eberhard Urban

Zu den Graphiken der Bank für Gemeinwirtschaftft, 1985
 

Die Ware, welche als Wertmaß und daher auch, leiblich oder durch Stellvertreter, als Zirkulationsmittel funktioniert, ist Geld.
(Carl Marx, Das Kapital)

Durch die fünf Bilder Walter Heckmanns zirkulieren die Begriffe und Bedeutungen: Wein und Brot, Brot und Spiele, Glück und Gerechtigkeit, Handel und Verwandlung, Fundament und Fund, Hortung und Verlust, Wagen und Wägen, Fruchtbarkeit und Leere, die Ware. Das Wahre dieser Frage wird in jedem Bild gestellt. Auch die nach dem Verhältnis von Gut und Güte.

„Balance“. Wir haben vor Augen die Tatsache, das der Tauschwert der Ware, nicht der Gebrauchswert, zählt. Wir sehen den Tauschwert als die äussere Erscheinungsform des Wertes. Und wir erkennen, das nur eine Ware die Funktion des Äquivalentes hat, die Ware Geld. Kein Kunstwerk hat bisher mit solcher Deutlichkeit das Grundgesetz unserer Wirtschafts und Sozialordnung offen sichtlich sichtbar gemacht. Die Waage die hier wägt, ist auch eine Aufforderung, mehr Gerechtigkeit zu wagen (was schwerer wiegt als das Brot des Mitleids für die Welt).

„Midas“. Der Goldfisch als Goldfetisch. Das Geld festhaltend einen Schatz bildend, so die Zirkulation verhindernd, in Entsagung auch verhindernd, daß das Geld als Kaufmittel sich in Genußmittel auflöst. Der Fisch, auch ein Symbol der Fruchtbarkeit, verdammt sich selbst zur Unfruchtbarkeit. Schärfer ist der Midas-Mythos nicht darzustellen, die Geschichte des Mannes, dem alles zu Gold wurde was er anfasste, auch Speise und Trank.

„Strandgut“. Aus den Tiefen des Meeres an Land gespült. Amphoren, deren Wein längst vergossen und verflossen. Münzen, deren Währung nicht mehr gültig. Kein Gebrauchswert, kein Tauschwert. Fundstücke. Die Macht der Dinge ist wertlos geworden. Nur noch Erinnerungen an die Vergangenheit, nur noch museale Werte.

“Game“. Glück, Gewinn, Verlust. Der Zufall kann zu Fall bringen.
Die Regeln sind ohne erbarmen. Das Schiff, ein Transportmittel, eine Einladung zum Wagnis, zum Handeln, zum Handel. Oder eine Möglichkeit zur Flucht.

„Fundament“ . Ein Bild vom Drüber und Drunter. Der Überbau des „Wahren Guten Schönen“. Das Fundament das alles trägt: Geld. Kein Bild der Kritik. Eine Beschreibung der Realität, die zeigt, wie es ist. Ob es so rechtens ist, ist abzuwägen. Und die Frage zum Unterschied von Wert und Reichtum wird gestellt. Es sind unbequeme Fragen, die uns Walter Heckmann stellt. Dabei raubt er uns nicht die Lust des Sehens und den Genuß des Erkennens.

Walter Heckmanns Bilder sind Abweichungen von der allgemein üblichern Kunst der Inhaltslosigkeit oder der verbindlichen Unverbindlichkeit, die in der Leere der Aussage alle die verbindet, die nichts oder nichts mehr zu sagen haben - oder sich nicht wagen. Walter Heckmann ist ein Künstler, der sein Handwerk perfekt beherrscht. Das zeigt sich in den Effekten des trompe - l’ oeil , dieser Augentäuschung, die das Bild für die Wirklichkeit ausgibt. Bei Heckmann sind diese Effekte Mittel der Verfremdung, das Erkennen fördernd. Seine Kunst kommt vom Künden - sein Können ist genauso deutlich.

Walter Heckmann wurde 1929 in Freiburg geboren. Er lebt und arbeitet in Frankfurt am Main, in der Stadt, die manchmal Bankfurt genannt wird. Hier, wo die Paläste des Kapitals den Himmel erobert haben. Hier, wo mit viel Geld die Alte Oper, die im Fries die Widmung "Dem Wahren Guten Schönen" trägt, wiedererrichtet wurde. Hier, wo die Justitia auf dem Römerberg nicht blind ist und keine Augenbinde trägt.
Vielleicht können nur hier im Zentrum vielfältigen Geschehens und der Gegensätze, seine Bilder entstehen, die uns zeigen, wie manches
unnütze Monument oder Produkt von der Natur ruiniert wird. So mag uns die Kraft der Natur Hoffnung spenden. Nur sollten wir nicht nur der Natur vertrauen oder um sie trauern. Heckmanns Bilder sind auch Aufruf: für den Widerstand, für die Änderung.

Seit Jahren zeigt sich der Künstlerische Erfolg des Malers in vielen Einzelausstellungen (BRD, Schweiz, Kanada, Österreich, Holland, Frankreich, Schweden, Australien, Belgien, Ungarn, USA) - vor allem in der Zustimmung der Betachter: die in Walter Heckmanns Bildern die Ängste und Hoffnungen wiederfinden, die uns alle bewegen.

Von den vielen Banken, die Frankfurts Bild bestimmen, konnte es von ihrem Selbstverständnis und von ihrer Aufgabe her nur die Bank für Gemeinwirtschaft sein, Walter Heckmann mit Bildern vom Geld, von seinem Wert und seiner Vergänglichkeit zu beauftragen. Die wertvollen Originalgraphiken sind Lithographien, von Walter Heckmann auf jeweils vier Steinen (Solnhofener Schiefer) gezeichnet, von dem Steindrucker Manfred Hügelow von den Steinen gedruckt, erscheinen in einer einmaligen Auflage. Nach dem Druck sind die Steine abgeschliffen worden; ein Nachdruck ist nicht möglich: So bewahren diese fünf Lithographien ihren Wert - in ihrer Künstlerischen Art und in ihrer handwerklichen Weise.

Eberhard Urban