Werke
des Freiburger Bildhauers und. Malers Walter Heckmann sind fast zu gleicher
Zeit in Basel, Mannheim (vom 4. Februar bis zum 9. März) und in
der Galerie Wirth, Berlin, ausgestellt. Das Zusammentreffen ist wohl
zufällig; wichtig aber, dass Heckmann gerade jetzt in das Blickfeld
eines breiteren und auch internationalen Publikums rückt. Und dies
ist kein Zufall. Denn im letzten Jahr, betrachtet man seine Arbeiten
der Reihe nach und im Vergleich mit früheren, hat Heckmann eine
Ausdrucksform gefunden, die in ihren Details und ihrer Gesamtheit nur
ihm eigen ist und darüber hinaus über die erzielte Originalität,
den Betrachter mit einem starken Qualitätsanspruch konfrontiert.
Sicher ist dieses erstaunliche und auf eine höchst eigenwillige
Weise phantastische Werk jetzt auf einer wichtigen Stufe angelangt,
trotzdem lässt sieh sein „Durchbruch“ nicht als Einschnitt
in der Entwicklung verstehen, dazu ist diese Entwicklung zu organisch
uns noch mitten im Fluss. Das wird besonders deutlich, wenn man die
Basler (in der Galerie Hilt) und die Mannheimer Ausstellung (Galerie
Margarete Lauter) miteinander vergleicht.
Unter dem alten Kellergewölbe in Basel stehen hohe Figuren, „Taucher“
genannt, doch in dieser Umgebung, zusammen mit der an der Wand entlang
aufgestellten Kleinplastik, an mittelalterliche Rüstungen erinnernd
- „Ein Rittersaal“, rief jemand und niemand widersprach.
Die Basler Ausstellung zeigt Arbeiten aus den letzten beiden Jahren.
In
den hellen, modernen Räumen der Mannheimer Galerie sieht man ausschließlich
neue Arbeiten von Heckmann. Die stärkere formale Klärung seiner
phantastischen Dingwelt wird hier vorzüglich ins Licht gerückt.
Die erlesene Auswahl der Gouachen lässt die Frage stellen: Ist
nicht Heckmann, der in erster Linie doch als Bildhauer genannt wird,
mit seiner Malerei heute einen Schritt der Skulptur voraus?
Zu den Arbeiten des heute sechsunddreißigjährigen Künstlers
lässt sich noch nichts Abschließendes sagen. Nur zu dem Bereich,
in dem sich seine Problemstellungen bewegen, seien hier Stichworte genannt.
Zwei davon, so scheint es, haben besonderen Vorrang: Figur und Phantasie.
Dem Bildhauer Heckmann galt die Figur, die Menschenfigur, von Anfang
an als Hauptthema. An den besten Bildhauern der Welt geschult formte
er Standfiguren. Dabei war für ihn die Formung der plastischen
Substanz weniger von Interesse: Wichtig war die Gestalt, der Aufbau
und der darin - in möglichst einfacher Form - enthaltene Ausdruck.
So konnte er sich in vielen Experimenten von dem „Modell“
Menschenfigur beliebig entfernen, im Hintergrund bleibt immer die figurale
Vorstellung wirksam. Doch Heckmann fing, nach einer technischen Zeichnerlehre,
als Maler an, und dies konnte auf die Dauer nicht ohne Spuren in seiner
Plastik bleiben. Die Phantasie des Malers bekam in der Plastik erst
durch die Entwicklung einer neuen Technik wichtiges und echtes Wirkungsfeld.
Nach manchen Experimenten kam Heckmann auf den Kunststoff Styropor;
er baut seine Modelle - mit Hilfe eines Bügeleisens - aus diesem
leichten, aber widerstandsfähigen Material, dessen Flächen
allerlei skurrile Zeichen und Zeichnungen auf eigentümliche Weise
in den Metallguss umzusetzen fähig sind. Die konsequente Weiterentwicklung
dieses Verfahrens stellt gleichsam neue Aufgaben, Formprobleme: zuerst
gab es härtere, voneinander scharf abgesetzte Formen. Nach und
nach weichen die kantig zusammengestellten polygonalen Formen immer
mehr der Rundform. Freilich erscheinen die Grundformen nicht rein, sie
sind von Heckmann in allerlei Ab- und Verwandlungen und mit Zutaten
durchexerziert, mit seiner Phantasie gestaltet und verunstaltet.
Mit Worten an die Heckmannsche Bildwelt heranzutreten ist schwierig.
Denn das, was etwa bei Max Ernst (dem Heckmann bis zur Maltechnik hin
viel verdankt) in surrealer Umdeutung oder Verfremdung erscheint, das
lässt Heckmann hinter der Form zurücktreten: Die Form verwischt
die Ein- oder Doppeldeutigkeit der Inhalte. Immer vieldeutig, provozieren
dann Heckmanns Figuren ständig die Vielfalt von Assoziationen -
je nach Umgebung, Vorstellungsvermögen und Stimmung des Betrachters.
Innerhalb der Vieldeutigkeit gibt es aber immer wiederkehrende Grundvorstellungen:
Das Lebendige tritt in den niederen Arten und mit hässlichen Exemplaren
in Erscheinung: Amöbenformen und Algen, Zwerge mit Wasserköpfen,
oder merkwürdige Riesenfrüchte, mißlungene Kürbisse
und Melonen eines verwegenen Gärtners. Alles das ist spukhaft und
komisch - und bedrohlich. Denn diese Missgeschöpfe haben Augen:
mit dunklen, blinden Löchern blicken sie um sich. Sie sind Figuren:
sie haben von dem Menschen Eigenschaften bekommen, vordergründige;
man denkt an Maschinenmenschen, an märchenhafte Zwitterwesen moderner
Zeiten. Figur und Phantasie in den Bruchstücken des Hässichen
miteinander qualitätsvoll vermengt - das stellt nicht nur längst
hinfällige Schönheitsideale wieder einmal in Frage, das ist
nicht nur als Protest eines hockbegabten Künstlers gegen die ästhetischen
Perfektionen unserer Zeit, die voller Widersprüche und Hässlichkeiten
ist, zu verstehen.
In
diesen phantastischen Kunstdingen lebt, nunmehr wieder aktuell geworden,
die Tradition der Figur in der substanzlosen Form der Umhüllung
weiter. Aber es sind keine Figuren in Aktion, sie „beobachten“
höchstens. Sie reagieren empfindsam und auf die ganze Umwelt, auch
auf politische Ereignisse. Sie reagieren mit ihrer schadhaften Umhüllung
schutzlos, mit dem Schmerz eines gesichtslosen Grinsens. Oder treiben
sie bloß einen schlauen Spaß? Sie warten auf den Betrachter,
der fähig ist zu reagieren.
L. G. |