Presse: Übersicht

- Die gusseiserne Heiterkeit eines Modernen -

Plastiken und Gouachen des Freiburgers W. A. Heckmann in der Mannheimer Galerie Lauter

Abend Zeitung, 08.02.1966

 

Erregt die gegenständliche bildende Kunst Erinnerungen an Personen, Milieus, Landschaften, Historisches usw., so ist es ein Wesenszeichen der emotionalen oder gehirnfiltrierten abstrakten Moderne, dass sie Unterbewusstes und Phantasie in Gärung und Bewegung bringt. Der Freiburger Plastiker und Maler Walter Albert Heckmann, Jahrgang 1929, Student der Akademien in seiner Vaterstadt und in München von 1949 bis 1952, meint, es gehe um die „Schönheit des Hässlichen“. Letzten Endes erklärte das auch den makabren Zug und die Ironie heutiger Kreationen. Es dreht sich dabei um nichts anderes, als eine Art von Neo-Negativ-Romantik; hervorgegangen aus den faktischen und hintergründigen Ängsten, wie Vereinsamungen inmitten einer Massenweit, die ihre Aneignungstriebe auf Mond und Sterne richtet und auf Erden über die brisantesten Tötungsmittel verfügt.

Vor einer solchen äußeren und inneren Kulisse besitzt der seit zehn Jahren vor allem im alemannischen Kultur- und kompakten Fabulierraum vorangekommene, aber auch international geschätzte Heckmann eine verbindlichere Distanz. Bei seiner abstrahierenden künstlerischen Welt-Anschauung (im korrespondierenden Sinne beider Begriffe) entwickelt er sozusagen einen gusseisernen Humor. Das zeigt seine Ausstellung in der Mannheimer Galerie Margarete Lauter; Im handwerklich sicheren Umgang mit dem Material schafft er wahrhaft seltsame und schlaue Skulpturen, die sich beispielsweise recht lebendig von der gleichförmigen Glätte der Stahlplastiken des augenblicklich in der Städtischen Kunsthalle vorgeführten Erich Hauser abheben. Der bei Tuttlingen geborene, bei Rottweil lebende Hauser war schon Ausstellungsgenosse Heckmanns; seine hartkantigen, geschlitzten und geschliffenen Raumgreiflinge passen in den Architekturstil unserer Tage, wobei sich bei den Plattengeschweißten mancher fragt, wo der Schmied anfängt und wo der Künstler aufhört.

Bei Heckmann spürt man in jeder der 13 Plastiken, die jeweils nur in einem Gussexemplar bestehen sowie in den 23 Gouachen, die als Vor und Nacharbeiten gleicher oder ähnlich assoziierter Motivik doch ein malerisches Eigenleben führen, den ursprünglicheren Gestaltungsakt. Da und dort mögen noch Zufälle des Gießvorgangs und Spekulationen bei der Nachbearbeitung einige Pointen beisteuern. „Submarines“ hat man eine Reihe der Plastiken genannt, weil Quallen, Tintenfische und sonstiges Unterwässriges das „Urbild“ abgaben: Mopsig Aufgequollenes auf Stakeligen Beinen, als ziehe es träge die Fühler über den Grund. „Samurais“ wurden andere seiner Dinge gespitznamt, da sie nach verbeulter und ruhig geschlagener Rüstung, klapprigem Harnisch und schepperndem Helmvisier aussehen; Zwar sehr entfernt, doch kann man noch draufkommen. Von beidem ist etwas da. Dazu noch ein phantomiges Gebilde und eine fette Wanze oder dicker Mistkäfer, sowie die Hosen einer eisernen Jungfrau oder so was. Bei Heckmann gibt es für die Abstrakta, die doch einmal Objektives bestimmte, keine Titel, selbst für den Elefanten mit kugeligem Tragthron nicht, den andere Beschauer wieder als ein Seeviech erkennen möchten.

Der Hersteller lächelte bei der Vernissage zu solchen Vorstellungen, die hier dem Leser zwecks einigermaßen Orientierung über den Charakter der Präsentation nicht vorenthalten werden sollten. Heckmann verhehlte nicht, dass ihn das Vexieren freue und das Unwägbare von Einfall und Praxis oft bereitwillig Effekte beisteuere, die recht lustig wirkten. Er kam noch auf den bedeutenden Anteil des Kubismus für den bildnerischen Aufbau solcher künstlerischen „ Ganzheiten“ zu sprechen - so ruppig mitunter Kontur und Struktur in den Plastiken aufgesprengt oder auf den Gouachen aufgelöst werden.

Heckmann ist ein Schalk und ein Könner seines Fachs von großem Fleiß, zugleich laufen in Berlin und Basel von ihm Einzelausstellungen mit 1964 und 1965 Geschaffenem. Trotz der schnellen Entwurfkraft ist er kein Dramatiker, sondern ein Epiker, selbst wo das Gekröse aufbrach, Wunden und Risse die Hohlkörper auffetzten, scheint er auf Versöhnliches noch im Zerstörten zu zielen. Er ist so auch kein Vertreter der sogenannten „Mega-Lyrik“, der es auf Vernichten und Infragestelen ankommt. Die Form drückt sich entgegen der Unruhe der Oberflächen (des damit verbundenen Licht-Schattengekräusels), der Henkel, Ösen und Löcher erstaunlich geschlossen aus. Die Plastiken stehen oft auf recht massiven Füßen. Sie verlangen nicht, dass der Raum mitspielt; man kann sie auch nahe betrachten, sie genügen sich selbst.
Die Gouachen haben meistens einen feineren magischen Reiz: Witz steckt in der Grille oder dem eleganten Fechter, in dee Mann und Frau-Begegnung oder der Radiolampe mit einer Dame ohne Kopf, der eingenickte oder müde Ritter, die Mond-Marsmenschen-Erkennung, der Stadtplan mit Roteffekten, der Kinderkopf. Auch hier liegen keine Titel vor, nur Nummern; es sollte wie bei den Plastiken lediglich den „Ein-Bildungen“ nachspioniert werden. Die Umrisse nehmen sich sehr pfiffig auf den hellen Blättern aus; die dunkel oder farbig grundierten imaginieren mit den vorherrschenden Grautönen eher Unheimlicheres; da fasziniert u. a. der Corpus.

Nach den voraufgegangenen formalistisch kühlen und kahlen Demonstrationen der intellektuellen Avantgardistengruppe „SYN“ dürfte die Präsentation Heckmanns in der Galerie Margarete Lauters mehr Interessenten finden: Er ist ein Heutiger, der sich noch im Unausgesprochenen ziemlich verständlich machen kann, so man’s nicht zeitstumpf allein mit der Tradition und Gegenständlichkeit, vielmehr mit unbefangener zeitgenössischer Aufgeschlossenheit hält.
Dr. Kurt Unold