Erregt
die gegenständliche bildende Kunst Erinnerungen an Personen, Milieus,
Landschaften, Historisches usw., so ist es ein Wesenszeichen der emotionalen
oder gehirnfiltrierten abstrakten Moderne, dass sie Unterbewusstes und
Phantasie in Gärung und Bewegung bringt. Der Freiburger Plastiker
und Maler Walter Albert Heckmann, Jahrgang 1929, Student der Akademien
in seiner Vaterstadt und in München von 1949 bis 1952, meint, es
gehe um die „Schönheit des Hässlichen“. Letzten
Endes erklärte das auch den makabren Zug und die Ironie heutiger
Kreationen. Es dreht sich dabei um nichts anderes, als eine Art von
Neo-Negativ-Romantik; hervorgegangen aus den faktischen und hintergründigen
Ängsten, wie Vereinsamungen inmitten einer Massenweit, die ihre
Aneignungstriebe auf Mond und Sterne richtet und auf Erden über
die brisantesten Tötungsmittel verfügt.
Vor einer solchen äußeren und inneren Kulisse besitzt der
seit zehn Jahren vor allem im alemannischen Kultur- und kompakten Fabulierraum
vorangekommene, aber auch international geschätzte Heckmann eine
verbindlichere Distanz. Bei seiner abstrahierenden künstlerischen
Welt-Anschauung (im korrespondierenden Sinne beider Begriffe) entwickelt
er sozusagen einen gusseisernen Humor. Das zeigt seine Ausstellung in
der Mannheimer Galerie Margarete Lauter; Im handwerklich sicheren Umgang
mit dem Material schafft er wahrhaft seltsame und schlaue Skulpturen,
die sich beispielsweise recht lebendig von der gleichförmigen Glätte
der Stahlplastiken des augenblicklich in der Städtischen Kunsthalle
vorgeführten Erich Hauser abheben. Der bei Tuttlingen geborene,
bei Rottweil lebende Hauser war schon Ausstellungsgenosse Heckmanns;
seine hartkantigen, geschlitzten und geschliffenen Raumgreiflinge passen
in den Architekturstil unserer Tage, wobei sich bei den Plattengeschweißten
mancher fragt, wo der Schmied anfängt und wo der Künstler
aufhört.
Bei Heckmann spürt man in jeder der 13 Plastiken, die jeweils nur
in einem Gussexemplar bestehen sowie in den 23 Gouachen, die als Vor
und Nacharbeiten gleicher oder ähnlich assoziierter Motivik doch
ein malerisches Eigenleben führen, den ursprünglicheren Gestaltungsakt.
Da und dort mögen noch Zufälle des Gießvorgangs und
Spekulationen bei der Nachbearbeitung einige Pointen beisteuern. „Submarines“
hat man eine Reihe der Plastiken genannt, weil Quallen, Tintenfische
und sonstiges Unterwässriges das „Urbild“ abgaben:
Mopsig Aufgequollenes auf Stakeligen Beinen, als ziehe es träge
die Fühler über den Grund. „Samurais“ wurden andere
seiner Dinge gespitznamt, da sie nach verbeulter und ruhig geschlagener
Rüstung, klapprigem Harnisch und schepperndem Helmvisier aussehen;
Zwar sehr entfernt, doch kann man noch draufkommen. Von beidem ist etwas
da. Dazu noch ein phantomiges Gebilde und eine fette Wanze oder dicker
Mistkäfer, sowie die Hosen einer eisernen Jungfrau oder so was.
Bei Heckmann gibt es für die Abstrakta, die doch einmal Objektives
bestimmte, keine Titel, selbst für den Elefanten mit kugeligem
Tragthron nicht, den andere Beschauer wieder als ein Seeviech erkennen
möchten.
Der Hersteller lächelte bei der Vernissage zu solchen Vorstellungen,
die hier dem Leser zwecks einigermaßen Orientierung über
den Charakter der Präsentation nicht vorenthalten werden sollten.
Heckmann verhehlte nicht, dass ihn das Vexieren freue und das Unwägbare
von Einfall und Praxis oft bereitwillig Effekte beisteuere, die recht
lustig wirkten. Er kam noch auf den bedeutenden Anteil des Kubismus
für den bildnerischen Aufbau solcher künstlerischen „
Ganzheiten“ zu sprechen - so ruppig mitunter Kontur und Struktur
in den Plastiken aufgesprengt oder auf den Gouachen aufgelöst werden.
Heckmann ist ein Schalk und ein Könner seines Fachs von großem
Fleiß, zugleich laufen in Berlin und Basel von ihm Einzelausstellungen
mit 1964 und 1965 Geschaffenem. Trotz der schnellen Entwurfkraft ist
er kein Dramatiker, sondern ein Epiker, selbst wo das Gekröse aufbrach,
Wunden und Risse die Hohlkörper auffetzten, scheint er auf Versöhnliches
noch im Zerstörten zu zielen. Er ist so auch kein Vertreter der
sogenannten „Mega-Lyrik“, der es auf Vernichten und Infragestelen
ankommt. Die Form drückt sich entgegen der Unruhe der Oberflächen
(des damit verbundenen Licht-Schattengekräusels), der Henkel, Ösen
und Löcher erstaunlich geschlossen aus. Die Plastiken stehen oft
auf recht massiven Füßen. Sie verlangen nicht, dass der Raum
mitspielt; man kann sie auch nahe betrachten, sie genügen sich
selbst.
Die Gouachen haben meistens einen feineren magischen Reiz: Witz steckt
in der Grille oder dem eleganten Fechter, in dee Mann und Frau-Begegnung
oder der Radiolampe mit einer Dame ohne Kopf, der eingenickte oder müde
Ritter, die Mond-Marsmenschen-Erkennung, der Stadtplan mit Roteffekten,
der Kinderkopf. Auch hier liegen keine Titel vor, nur Nummern; es sollte
wie bei den Plastiken lediglich den „Ein-Bildungen“ nachspioniert
werden. Die Umrisse nehmen sich sehr pfiffig auf den hellen Blättern
aus; die dunkel oder farbig grundierten imaginieren mit den vorherrschenden
Grautönen eher Unheimlicheres; da fasziniert u. a. der Corpus.
Nach den voraufgegangenen formalistisch kühlen und kahlen Demonstrationen
der intellektuellen Avantgardistengruppe „SYN“ dürfte
die Präsentation Heckmanns in der Galerie Margarete Lauters mehr
Interessenten finden: Er ist ein Heutiger, der sich noch im Unausgesprochenen
ziemlich verständlich machen kann, so man’s nicht zeitstumpf
allein mit der Tradition und Gegenständlichkeit, vielmehr mit unbefangener
zeitgenössischer Aufgeschlossenheit hält.
Dr. Kurt Unold |