Presse: Übersicht
- Augentäuschung mit Sinn -

Zur Ausstellung Walter Heckmann bei Vonderbank, FAZ, 08.09.1977
 
Viele neue und einige wenige schon bekannte Bilder von Walter A. Heckmann zeigt in diesen Wochen das Graphische Kabinett Karl Vonderbank in der Goethestraße 11. Seit mehreren Jahren schon kümmert es sich mit Ausstellungen im Zweijahresrhythmus kontinuierlich um den eigenwilligen Künstler, der im Ausland - vor allem in der Schweiz, aber auch in Frankreich, in Kanada, Holland, Schweden, selbst in Australien - fast bekannter ist als in seiner Heimat. Seinen so weit gedrungenen Ruf, ein Maler in bester deutscher Tradition, und doch ein Kind seiner Zeit zu sein, festigt Heckmann nun mit seiner neuerlichen „Biennale“ bei Vonderbank am Beispiel einer Reihe von Landschaftsbildern. Altmeisterlich und zumeist in Trompe-d’oeilTechnik gemalt, führen sie mit ihren weiten Horizonten die romantische Sehnsucht nach Aufhebung der Grenzen zur kosmischen Einheit im dialektischen Prozess ironisch zurück zur heutigen Prädestination der einsamen Landschaft als Mülldeponie oder Schuttplatz individueller Lebenshoffnungen. Noch zeitgemäßer ist Heckmanns durchaus erreichte Zielvorstellung, den Betrachter aktiv in das Bildgeschehen einzubeziehen, ja, ihn gewissermaßen als belebendes Kompositionselement, gleichsam als intellektuelle Staffage zu verwenden.

Doch Vorsicht ist geboten bei diesen Belebungsversuchen von Heckmanns Stilleben-Landschaften. Der aktivierte Betrachter befindet sich stets in einer höchst artifiziellen Welt. Sie hat mit der Realität nur wenige Elemente gemein: etwa die Früchte, die bereits angefressen sind von Insekten und Fäulnis, oder das Fahrrad, das mitten in der Wüste steht und so die hoffnungslose Situation des „Outlaw“ signalisiert; oder vielleicht die morschen Fabrikschornsteine in Form griechischer Säulen als Umfeld von Lenins Predigten von den Segnungen der Technik. Oberflächlich gesehen, haben auch Fensterkreuze, Kürbisse, Uhren und andere Alltagsdinge ihren Bezug zur Realität; doch Heckmann hebt diesen sachlichen Charakter der Gegenstände immer wieder auf durch seine optischen Täuschungen, und das gemalte dünne Seil, das ein Lot senkrecht vor gemalter menschenleerer Landschaft in ein Bohrloch führt, wirft seinen Schatten über Himmelsweite, Bergeshöhen und die Ödnis der Wüste. Realität und Irrealität begegnen sich so kurios wie absolut sinnvoll; denn das Auge begreift die malerischen Zusammenhänge so leicht wie ein Kind den durch den Reim hergestellten Sinn mancher alter, unsinnig wirkenden Schlummerliedchen.

So doppelbödig auch die Szenerie dieser altmeisterlich gemalten Bilder sich darstellt, haben doch oft die eingefügten Effekte von Rissen, von Knicken oder gar von Einschüssen zumeist weniger symbolhaltige Bedeutung als vielmehr die rein rationale Funktion, eine neue Vordergrundebene zu schaffen. Denn in erster Linie ist Heckmann Maler; er spielt mit Formen, versetzt Räume, fabuliert vor sich hin. „Die Handlung ist frei erfunden, zufällige Übereinstimmung mit tatsächlichen Ereignissen sind bewusst und beabsichtigt“, sagt er. Das ist ein Eingeständnis und zu werten als das Akzeptieren von Gegebenheiten. Es hat Heckmanns Phantasie erweitert, seine Inszenierungen bereichert und die dämonischen Fabelwesen, die noch vor sechs, sieben Jahren seine Bilderwelt beherrschten, ins Abseits vertrieben.

Der 1929 in Freiburg (Breisgau) geborene Künstler, der, zunächst als Plastiker aufgetreten war, will jetzt unter die Nomaden gehen. Er hat sein Haus verkauft und einen Wohnwagen gekauft, um seine bisher gemalte Welt auch zu „erfahren“. Ob seine Raumillusionen sich als wirklich erweisen werden, können vielleicht schon die nächsten Ausstellungen erweisen.
C. v. H.