Presse: Übersicht

- Dialog zwischen organischer und anorganischer Welt -

Ausstellung Walter Heckmann
Wiesbadener Kurier, Feuilleton, 25.09.85, Seite 10
Galerie Hübler

 

Walter Heckmann, der in Frankfurt lebende Maler, gehört zu den Künstlern, die in der Stilrichtung des phantastischen. Realismus malen. Altmeisterliche Techniken werden. Konsequent von ihm weiterentwickelt, die Natur wird mit zeichnerischer Akkuratesse wiedergegeben, die Raumillusion wird selbst dann gewahrt, wenn sie ironisch gebrochen erscheint. Dennoch reagiert diese Malerei auf die Wandlungen der Kunst im 20. Jahrhundert. Die phantastische Kunst unserer Zeit entwickelte sich ja als Antithese zum Hauptstrom der modernen Malerei, wandte sich all dem zu, was von der neuen Kunst vernachlässigt wurde. Während sich die Malerei immer mehr vom Gegenstand löste und rein energetische Prozesse darstellt, näherte sich die phantastische Kunst immer mehr der von aller Energie verlassenen Materie in all ihrer Dunkelheit und Schwere. Nicht umsonst dominiert in vielen Bildern dieser Stilrichtung das Anorganische.

Nun ist aber Heckmann ein vitaler Künstler, der eine lebendige Beziehung zur organischen Natur mit all ihren polaren Spannungen hat; Seine Vorliebe für den intensiven Rot-Grün-Gegensatz gibt davon ein Zeugnis. Doch die Gesetze der Stilrichtung, für die sich der Künstler entschieden hat, zwingen ihn in die Nähe des Anorganischen. Diese Spannung befruchtet Heckmanns Bilder, es findet in ihnen ein poetischer Dialog zwischen der organischen und der anorganischen Welt statt. Der Dialog gibt den Bildern ihre besondere Atmosphäre, ihre märchenhafte Ausstrahlung. Das Halbdunkel der unterirdischen, Welt durchdringt die Wirklichkeit, das Vegetative erhält den Glanz des Mineralischen, tote Gegenstände hingegen scheinen zu leben. So gibt es etwa im „Stilleben mit Kirschen“ zwischen den juwelenhaft leuchtenden, fast transparenten Früchten und den in gleicher Weise schimmernden Gefäßen keinen absoluten Unterschied, sondern geheimnisvolle Beziehungen.

Wenn in dieser Welt der hintergründigen Beziehungen ein Mensch auftaucht, so ist es immer eine Frau. Bei den Frauengestalten ist die Nacktheit Zeichen großer Naturnähe und der magischen Kraft, die aus dieser Nähe erwächst. Die „Küchengeheimnisse“, die auf dem gleichnamigen Bild zwei Frauen austauschen, sich mit verbundenen Augen juwelenartige Früchte und Gemüse reichend, scheinen einer Hexenküche zu entstammen. In anderen Bildern verwandelt sich die Frauengestalt selbst den verschiedenen Bereichen der Wirklichkeit an, etwa in der faszinierenden „Fischköchin“. Dort ist die Frau Teil der bröckelnden Wand geworden, hat sich mit der anorganischen Welt identifiziert und gibt ihr einen besonderen Glanz, der auf geheimnisvolle Weise mit dem Glanz des Fischs und der zerschnittenen Zitrone des Stillebens im Vordergrund verbunden scheint. Es ist ein Glanz, der, zwischen lebender und toter Natur oszilliert und die geheime Einheit dieser Bereiche ahnen lässt.

Diese magische Phase ist die bislang letzte im Schaffen des Künstlers, der in seinen früheren Perioden stärker die Gegenstände unserer Zivilisation in sein Werk einbezogen hat. Davon lassen sich hier und dort noch Spuren erkennen; so etwa, wenn er das desillusionierende Bild von der zerreißenden Leinwand gebraucht, hinter der ein neues Bild zu ahnen ist oder bereits sichtbar wird. Desillusionierend ist auch der Gebrauch eines intensiven Türkistons, der immer wieder in Heckmanns Bildern auftaucht, ob er nun mehr ins Blau oder mehr ins Grün spielt.
Dieser plakativ leuchtende Ton hat die Tendenz zu dominieren, drängt die anderen Farben beiseite, statt mit ihnen zu korrespondieren. Denn er verlangt eine flächige Malweise um seine ganze Kraft zu entfalten, während die anderen Farben in den dreidimensionalen Raum integriert sind. Welche Wirkung aber der Türkiston erzielen kann, wenn er nicht mehr dominiert, sondern sich in die Gesamtkomposition einfügt, zeigt das Bild „Die Fliegenfalle“. Hier erscheint das Türkis nicht mehr großflächig, sondern in viele Einzelheiten aufgespalten, in Fliegen, Glasscheiben, Muscheln, die ein schillernd kaltes Licht ausstrahlen. Dieses Licht steht in reizvollem Kontrast zu den Gelbtönen der Pflanzenhecke, hinter der sich wieder eine Frau verbirgt; so erscheint hier der Dialog zwischen den verschiedenen Bereichen der Natur besonders differenziertgestaltet.
VERENA FLICK