Walter
Heckmann, der in Frankfurt lebende Maler, gehört zu den Künstlern,
die in der Stilrichtung des phantastischen. Realismus malen. Altmeisterliche
Techniken werden. Konsequent von ihm weiterentwickelt, die Natur wird
mit zeichnerischer Akkuratesse wiedergegeben, die Raumillusion wird
selbst dann gewahrt, wenn sie ironisch gebrochen erscheint. Dennoch
reagiert diese Malerei auf die Wandlungen der Kunst im 20. Jahrhundert.
Die phantastische Kunst unserer Zeit entwickelte sich ja als Antithese
zum Hauptstrom der modernen Malerei, wandte sich all dem zu, was von
der neuen Kunst vernachlässigt wurde. Während sich die Malerei
immer mehr vom Gegenstand löste und rein energetische Prozesse
darstellt, näherte sich die phantastische Kunst immer mehr der
von aller Energie verlassenen Materie in all ihrer Dunkelheit und Schwere.
Nicht umsonst dominiert in vielen Bildern dieser Stilrichtung das Anorganische.
Nun ist aber Heckmann ein vitaler Künstler, der eine lebendige
Beziehung zur organischen Natur mit all ihren polaren Spannungen hat;
Seine Vorliebe für den intensiven Rot-Grün-Gegensatz gibt
davon ein Zeugnis. Doch die Gesetze der Stilrichtung, für die sich
der Künstler entschieden hat, zwingen ihn in die Nähe des
Anorganischen. Diese Spannung befruchtet Heckmanns Bilder, es findet
in ihnen ein poetischer Dialog zwischen der organischen und der anorganischen
Welt statt. Der Dialog gibt den Bildern ihre besondere Atmosphäre,
ihre märchenhafte Ausstrahlung. Das Halbdunkel der unterirdischen,
Welt durchdringt die Wirklichkeit, das Vegetative erhält den Glanz
des Mineralischen, tote Gegenstände hingegen scheinen zu leben.
So gibt es etwa im „Stilleben mit Kirschen“ zwischen den
juwelenhaft leuchtenden, fast transparenten Früchten und den in
gleicher Weise schimmernden Gefäßen keinen absoluten Unterschied,
sondern geheimnisvolle Beziehungen.
Wenn in dieser Welt der hintergründigen Beziehungen ein Mensch
auftaucht, so ist es immer eine Frau. Bei den Frauengestalten ist die
Nacktheit Zeichen großer Naturnähe und der magischen Kraft,
die aus dieser Nähe erwächst. Die „Küchengeheimnisse“,
die auf dem gleichnamigen Bild zwei Frauen austauschen, sich mit verbundenen
Augen juwelenartige Früchte und Gemüse reichend, scheinen
einer Hexenküche zu entstammen. In anderen Bildern verwandelt sich
die Frauengestalt selbst den verschiedenen Bereichen der Wirklichkeit
an, etwa in der faszinierenden „Fischköchin“. Dort
ist die Frau Teil der bröckelnden Wand geworden, hat sich mit der
anorganischen Welt identifiziert und gibt ihr einen besonderen Glanz,
der auf geheimnisvolle Weise mit dem Glanz des Fischs und der zerschnittenen
Zitrone des Stillebens im Vordergrund verbunden scheint. Es ist ein
Glanz, der, zwischen lebender und toter Natur oszilliert und die geheime
Einheit dieser Bereiche ahnen lässt.
Diese magische Phase ist die bislang letzte im Schaffen des Künstlers,
der in seinen früheren Perioden stärker die Gegenstände
unserer Zivilisation in sein Werk einbezogen hat. Davon lassen sich
hier und dort noch Spuren erkennen; so etwa, wenn er das desillusionierende
Bild von der zerreißenden Leinwand gebraucht, hinter der ein neues
Bild zu ahnen ist oder bereits sichtbar wird. Desillusionierend ist
auch der Gebrauch eines intensiven Türkistons, der immer wieder
in Heckmanns Bildern auftaucht, ob er nun mehr ins Blau oder mehr ins
Grün spielt.
Dieser plakativ leuchtende Ton hat die Tendenz zu dominieren, drängt
die anderen Farben beiseite, statt mit ihnen zu korrespondieren. Denn
er verlangt eine flächige Malweise um seine ganze Kraft zu entfalten,
während die anderen Farben in den dreidimensionalen Raum integriert
sind. Welche Wirkung aber der Türkiston erzielen kann, wenn er
nicht mehr dominiert, sondern sich in die Gesamtkomposition einfügt,
zeigt das Bild „Die Fliegenfalle“. Hier erscheint das Türkis
nicht mehr großflächig, sondern in viele Einzelheiten aufgespalten,
in Fliegen, Glasscheiben, Muscheln, die ein schillernd kaltes Licht
ausstrahlen. Dieses Licht steht in reizvollem Kontrast zu den Gelbtönen
der Pflanzenhecke, hinter der sich wieder eine Frau verbirgt; so erscheint
hier der Dialog zwischen den verschiedenen Bereichen der Natur besonders
differenziertgestaltet.
VERENA FLICK
|