Die Heppenheimer Bezirkssparkasse hat
sich mehr und mehr zur ersten Adresse in der Kreisstadt entwickelt,
wenn es um Präsentation von zeitgenössischer Kunst geht. Dass
dieses Angebot auch angenommen wird konnten die Veranstalter am Donnerstag
ein weiteres Mal mit Befriedigung zur Kenntnis nehmen. Direktor Willi
Vogel begrüßte zur Vernissage Kunstfreunde Künstler
und Repräsentanten des öffentlichen Lebens in großer
Zahl.
Vogel zeigte sich besonders erfreut, dass er in einer ganzen Reihe von
Exponaten einen direkten Bezug zu seinem Hause entdeckt hatte, dazu
gehören die Plakate zum Weltspartag der Sparkassen und ein sechsteiliges
Mappenwerk zum Thema „Geld“. Zwei der Plakate wurden auf
der Plakatkunst-Biennale in Warschau hochdekoriert und für das
Plakatmuseum angekauft. Sie zählten 1980 zu den 17 besten Plakaten
der Welt. Auch im Plakatmuseum der finnischen Hauptstadt finden sich
die großen Werbeblätter wieder.
Im Mittelpunkt des Abends stand der in Frankfurt am Main lebende Maler
und Grafiker Walter Heckmann (56), der aus seinem Atelier in der Braubachstraße
über 40 Bilder, Lithographien, Serigraphien und Drucke mitgebracht
hatte, die bis zum 7. Dezember besichtigt werden können. Einen
Einblick in die Arbeitsweise Heckmanns beim Drucken vom Stein verschaffte
ein Video-Tape, das Bernhard Safarik für den Hessischen Rundfunk
gedreht hat. Gedanken zum Werk des in Freiburg geborenen Künstlers
vermittelte Horst Roland in seiner Eröffnungsansprache. Roland
gehört neben Jürgen Maurer, dem Vorsitzenden der Heppenheimer
Werbegemeinschaft, zu den Initiatoren der Ausstellung.
Nach dem Motto „Kunst ist für alle da offerierte Ursula Heckmann,
Gattin, und „Managerin“ des Künstlers, neben durchaus
erschwinglichen Lithographien und Serigraphien auch preiswerte Drucke:
Kunst für schnelle Käufe, fix und fertig gerahmt. Den wichtigsten
Teil der Ausstellung machen jedoch jene Originalbilder aus, die in altmeisterlicher
Mischtechnik allerdings unter Verwendung neuzeitlicher Acrylfarben entstanden
sind. Diese Arbeiten bauen sich vom Bildgrund her Schicht um Schicht
auf, bis dass die akribisch genau gemalten Gegenstände und Landschaftselemente
plastisch und mit eigenartig berührendem Schmelz entstanden sind.
Die altmeisterliche Darstellung bleibt allerdings nicht im naturalistischen
Abbilden stecken. Im „Gewöhnlichen das Phantastische aufzuzeigen“
ist Heckmanns eigentliche Bildidee.
Gewöhnlich ist das Motiv - auf der Einladung abgebildet und im
Original in der Ausstellung zu sehen -, ein weites Feld mit rankenden
Pflanzen im Vordergrund, fast symmetrisch angeordnet, zwei Figuren,
leblos, gesichtslos, vielleicht zwei Vogelscheuchen. Das „Phantastische“
beginnt dort, wo die Figuren Uniformen tragen und steigert sich ins
Groteske, wenn die wuchernden Pflanzen die Stelle von Kopf und Körper
einnehmen.
Heckmanns bevorzugtes Thema ist die Landschaft. Landschaft ist heute
eine Gattung, die um so nachdrücklicher ins Blickfeld tritt, je
mehr das Bewusstsein von der Zerstörung des natürlichen Lebensraumes
wächst. Dem Willen, aus den engen Grenzen der Kunstwelt auszubrechen
bietet die Landschaft Raum und Partnerschaft zur Reflexion von Kunst
und Wirklichkeit, Wahrnehmung von Wirklichkeit und Wahrnehmung von Wahrnehmung,
kurzum für die Durchdringung von Kunst und Lebensraum.
Der Blick auf oder in die Landschaft meint bei Heckmann stets den Menschen,
auch wenn dieser auf dem Bild gar nicht in Erscheinung tritt. Die Brechung
der natürlichen Schöpfung, Landschaft in der künstlichen
Schöpfung. Bild ist eine der zentralen Energien in seiner Malerei.
Zwei Seelen schlagen in seiner Brust, die des Realisten und die des
Phantasten - wobei einem sogleich - der Begriff des phantastischen Realismus
einfällt, dem Heckmann allerdings kaum zugeordnet werden kann -
beide Seelen verschmelzen sich in seinen besten Bildern zu einer höchst
originären und unverwechselbaren Einheit. Was Heckmann vom Malerischen
her besonders interessiert ist der Raum, etwas, das am offenkundigsten
in jenen Bildern zutage tritt die die Gattung Stilleben mit der Gattung
Landschaft vereinen. Dieser Raum bleibt, wenn er nicht gänzlich
durch fundstückartige Gegenstände verstellt wird, Landschaftsraum.
„Menschen und Dinge in diesen Räumen haben lediglich Hinweischarakter,
auf Weite, Tiefe, fordern auf zum Begehren dieser Räume“,
meint der Künstler selbst. Die Landschaften scheinen auf den ersten
Blick unberührt, aber es erweist sich schnell dass hier Ergebnisse
menschlicher Zerstörungsarbeit vorliegen. Telegrafenmasten stehen
nutzlos in der Gegend, Kommunikation findet nicht mehr statt, Eisenbahnschienen
liegen zerbrochen, Straßen enden im Nichts. Walter Heckmann sagt
dazu: »Die Landschaften signalisieren durch Spurensicherung, Autowracks
Fußabdrücke, Verkehrsschilder, Telegraphenmaste usw., dass
man nicht Neuland betritt dass Besitznahme längst vollzogen ist.
Die
rätselhafte Wirkung jener Bildinhalte rührt nicht zuletzt
daher, dass man von den zurückliegenden auslösenden Ereignissen
nichts erfährt und dass es ein Zeichen der Hoffnung gibt, derart
dass die Natur beginnt, sich ihr Reich zurückzuerobern. Der Schriftsteller
Herbert Heckmann nicht mit dem Künstler verwandt, spricht von der
»sanften Gewalt der Blume gegen den Ansturm des Abfalls«
dem „Kampf des Himmelsblaus gegen die Nebel der Maschinen“
In dem »Theater des Verfalls der die Welt wieder für das
Leben freizumachen sucht«. Landschaftsraum ist bei Heckmann aber
auch Staffage, welche Faszination stimulieren will, Verwirrung stiftet,
und Allegorien und Symbolismen entstehen lässt. „Denkmäler
schafft“ – und alles das nicht ohne eine gehörige Portion
sanfter Ironie.
Wirklichkeit wird ständig in Frage gestellt. Man fragt sich: Wo
findet das Bild, wo findet Realität statt - vor oder hinter der
verletzten Leinwand, vor oder hinter dem „Bild im Bild“
oder auf wie viel Ebenen zugleich?
Es
gibt kein Kunstwerk, das man in seiner Entstehung und in seiner genuinen
Bedeutung erklären kann, indem man es in seine materiellen, technisch,
gestalterischen und „ideellen“ Elemente zerlegt. Die Erfahrung,
die mit diesen Bildern gemacht werden kann, geht vom Betrachter aus;
es ist die Summe lauter Selbsterfahrungen. Was sie auszulösen vermögen,
hat seine Begründung in einer aktiven Hinwendung zu dieser Malerei.
Walter Heckmanns Bilder haben darüber hinaus einen weiteren Vorzug,
für Käufer, die sie zu Hause oder im Büro an die Wand
hängen wollen, vielleicht, sogar der entscheidenste: sie drängen
sich nicht auf, sie sind auf unprätentiöse Weise präsent;
man kann mit ihnen leben. Auch über alles Dekorative hinaus. In
der Vitrine sind Bücher von und über Walter Heckmann sowie
ein Kalender für das Jahr 1986 mit Bildern des Künstlers ausgestellt.
Horst Roland |