Presse: Übersicht

- Im Gewöhnlichen das Phantastische aufgezeigt -

Der Frankfurter Maler Walter Heckmann stellt seit Donnerstag in der Bezirkssparkasse aus
Badischer Anzeiger, Samstag, 16. November 1985

 

Die Heppenheimer Bezirkssparkasse hat sich mehr und mehr zur ersten Adresse in der Kreisstadt entwickelt, wenn es um Präsentation von zeitgenössischer Kunst geht. Dass dieses Angebot auch angenommen wird konnten die Veranstalter am Donnerstag ein weiteres Mal mit Befriedigung zur Kenntnis nehmen. Direktor Willi Vogel begrüßte zur Vernissage Kunstfreunde Künstler und Repräsentanten des öffentlichen Lebens in großer Zahl.

Vogel zeigte sich besonders erfreut, dass er in einer ganzen Reihe von Exponaten einen direkten Bezug zu seinem Hause entdeckt hatte, dazu gehören die Plakate zum Weltspartag der Sparkassen und ein sechsteiliges Mappenwerk zum Thema „Geld“. Zwei der Plakate wurden auf der Plakatkunst-Biennale in Warschau hochdekoriert und für das Plakatmuseum angekauft. Sie zählten 1980 zu den 17 besten Plakaten der Welt. Auch im Plakatmuseum der finnischen Hauptstadt finden sich die großen Werbeblätter wieder.

Im Mittelpunkt des Abends stand der in Frankfurt am Main lebende Maler und Grafiker Walter Heckmann (56), der aus seinem Atelier in der Braubachstraße über 40 Bilder, Lithographien, Serigraphien und Drucke mitgebracht hatte, die bis zum 7. Dezember besichtigt werden können. Einen Einblick in die Arbeitsweise Heckmanns beim Drucken vom Stein verschaffte ein Video-Tape, das Bernhard Safarik für den Hessischen Rundfunk gedreht hat. Gedanken zum Werk des in Freiburg geborenen Künstlers vermittelte Horst Roland in seiner Eröffnungsansprache. Roland gehört neben Jürgen Maurer, dem Vorsitzenden der Heppenheimer Werbegemeinschaft, zu den Initiatoren der Ausstellung.

Nach dem Motto „Kunst ist für alle da offerierte Ursula Heckmann, Gattin, und „Managerin“ des Künstlers, neben durchaus erschwinglichen Lithographien und Serigraphien auch preiswerte Drucke: Kunst für schnelle Käufe, fix und fertig gerahmt. Den wichtigsten Teil der Ausstellung machen jedoch jene Originalbilder aus, die in altmeisterlicher Mischtechnik allerdings unter Verwendung neuzeitlicher Acrylfarben entstanden sind. Diese Arbeiten bauen sich vom Bildgrund her Schicht um Schicht auf, bis dass die akribisch genau gemalten Gegenstände und Landschaftselemente plastisch und mit eigenartig berührendem Schmelz entstanden sind. Die altmeisterliche Darstellung bleibt allerdings nicht im naturalistischen Abbilden stecken. Im „Gewöhnlichen das Phantastische aufzuzeigen“ ist Heckmanns eigentliche Bildidee.

Gewöhnlich ist das Motiv - auf der Einladung abgebildet und im Original in der Ausstellung zu sehen -, ein weites Feld mit rankenden Pflanzen im Vordergrund, fast symmetrisch angeordnet, zwei Figuren, leblos, gesichtslos, vielleicht zwei Vogelscheuchen. Das „Phantastische“ beginnt dort, wo die Figuren Uniformen tragen und steigert sich ins Groteske, wenn die wuchernden Pflanzen die Stelle von Kopf und Körper einnehmen.
Heckmanns bevorzugtes Thema ist die Landschaft. Landschaft ist heute eine Gattung, die um so nachdrücklicher ins Blickfeld tritt, je mehr das Bewusstsein von der Zerstörung des natürlichen Lebensraumes wächst. Dem Willen, aus den engen Grenzen der Kunstwelt auszubrechen bietet die Landschaft Raum und Partnerschaft zur Reflexion von Kunst und Wirklichkeit, Wahrnehmung von Wirklichkeit und Wahrnehmung von Wahrnehmung, kurzum für die Durchdringung von Kunst und Lebensraum.

Der Blick auf oder in die Landschaft meint bei Heckmann stets den Menschen, auch wenn dieser auf dem Bild gar nicht in Erscheinung tritt. Die Brechung der natürlichen Schöpfung, Landschaft in der künstlichen Schöpfung. Bild ist eine der zentralen Energien in seiner Malerei. Zwei Seelen schlagen in seiner Brust, die des Realisten und die des Phantasten - wobei einem sogleich - der Begriff des phantastischen Realismus einfällt, dem Heckmann allerdings kaum zugeordnet werden kann - beide Seelen verschmelzen sich in seinen besten Bildern zu einer höchst originären und unverwechselbaren Einheit. Was Heckmann vom Malerischen her besonders interessiert ist der Raum, etwas, das am offenkundigsten in jenen Bildern zutage tritt die die Gattung Stilleben mit der Gattung Landschaft vereinen. Dieser Raum bleibt, wenn er nicht gänzlich durch fundstückartige Gegenstände verstellt wird, Landschaftsraum.

„Menschen und Dinge in diesen Räumen haben lediglich Hinweischarakter, auf Weite, Tiefe, fordern auf zum Begehren dieser Räume“, meint der Künstler selbst. Die Landschaften scheinen auf den ersten Blick unberührt, aber es erweist sich schnell dass hier Ergebnisse menschlicher Zerstörungsarbeit vorliegen. Telegrafenmasten stehen nutzlos in der Gegend, Kommunikation findet nicht mehr statt, Eisenbahnschienen liegen zerbrochen, Straßen enden im Nichts. Walter Heckmann sagt dazu: »Die Landschaften signalisieren durch Spurensicherung, Autowracks Fußabdrücke, Verkehrsschilder, Telegraphenmaste usw., dass man nicht Neuland betritt dass Besitznahme längst vollzogen ist.

Die rätselhafte Wirkung jener Bildinhalte rührt nicht zuletzt daher, dass man von den zurückliegenden auslösenden Ereignissen nichts erfährt und dass es ein Zeichen der Hoffnung gibt, derart dass die Natur beginnt, sich ihr Reich zurückzuerobern. Der Schriftsteller Herbert Heckmann nicht mit dem Künstler verwandt, spricht von der »sanften Gewalt der Blume gegen den Ansturm des Abfalls« dem „Kampf des Himmelsblaus gegen die Nebel der Maschinen“ In dem »Theater des Verfalls der die Welt wieder für das Leben freizumachen sucht«. Landschaftsraum ist bei Heckmann aber auch Staffage, welche Faszination stimulieren will, Verwirrung stiftet, und Allegorien und Symbolismen entstehen lässt. „Denkmäler schafft“ – und alles das nicht ohne eine gehörige Portion sanfter Ironie.

Wirklichkeit wird ständig in Frage gestellt. Man fragt sich: Wo findet das Bild, wo findet Realität statt - vor oder hinter der verletzten Leinwand, vor oder hinter dem „Bild im Bild“ oder auf wie viel Ebenen zugleich?

Es gibt kein Kunstwerk, das man in seiner Entstehung und in seiner genuinen Bedeutung erklären kann, indem man es in seine materiellen, technisch, gestalterischen und „ideellen“ Elemente zerlegt. Die Erfahrung, die mit diesen Bildern gemacht werden kann, geht vom Betrachter aus; es ist die Summe lauter Selbsterfahrungen. Was sie auszulösen vermögen, hat seine Begründung in einer aktiven Hinwendung zu dieser Malerei.

Walter Heckmanns Bilder haben darüber hinaus einen weiteren Vorzug, für Käufer, die sie zu Hause oder im Büro an die Wand hängen wollen, vielleicht, sogar der entscheidenste: sie drängen sich nicht auf, sie sind auf unprätentiöse Weise präsent; man kann mit ihnen leben. Auch über alles Dekorative hinaus. In der Vitrine sind Bücher von und über Walter Heckmann sowie ein Kalender für das Jahr 1986 mit Bildern des Künstlers ausgestellt.

Horst Roland